- Literaturnobelpreis 1982: Gabriel García Márquez
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Der Kolumbianer erhielt den Nobelpreis für seine Romane und Erzählungen, »in denen sich das Fantastische und das Realistische in einer üppig ausgestalteten Welt vereinen«.Gabriel García Márquez, * Aracataca (Kolumbien) 6.3.1927; 1949 Redakteur bei »El Universal«, der Zeitung von Cartagena de Indias, 1950-52 für »El Heraldo« von Barranquilla tätig, ab 1952 im »El Espectador« in Bogotá, 1959-61 Korrespondent der kubanischen Presseagentur »Prensa Latina«, in den 1960er- und 1970er-Jahren freiwilliges Exil in Mexiko und Spanien, 1982 Rückkehr nach Kolumbien.Würdigung der preisgekrönten LeistungGabriel García Márquez wurde in Aracataca, einem Dorf im Norden Kolumbiens, geboren. Er wuchs dort bei seinen Großeltern auf. Im Jahr 1928 traf ein Streik und dessen brutale Niederschlagung das Dorf hart; rund 100 Streikende wurden in einer Nacht hingerichtet und in einem Massengrab beigesetzt. Dieses Thema sollte in seinen Romanen wiederholt vorkommen.Nach dem Tod seines Großvaters zog García Márquez zu seinen Eltern und nahm 1947 ein Jurastudium in der Hauptstadt Bogotá auf, das er jedoch nicht abschloss. Mitte der 1940er-Jahre begann er in verschiedenen Zeitungen seine ersten Artikel, Erzählungen und Filmkritiken zu veröffentlichen.Von 1959 bis 1961 arbeitete er als Korrespondent der kubanischen Presseagentur »Prensa Latina« in Bogotá, Havanna und New York. Aufgrund seiner linksgerichteten politischen Ansichten kam es mit dem Diktator Rojas Pinilla zu Auseinandersetzungen, weswegen er in den 1960er-Jahren ins freiwillige Exil nach Mexiko und Spanien ging.Wie andere Schriftsteller des so genannten »lateinamerikanischen Booms« (Vargas Llosa oder Julio Cortázar) brachte auch García Márquez früh seine Sympathie für die von Fidel Castro angeführte Revolution in Kuba zum Ausdruck. Auch Jahrzehnte danach verteidigte er diese Haltung.Das Dorf Macondo, ein zentraler OrtDas Buch »Laubsturm« (1955) ist die erste Veröffentlichung García Márquez' und erzählt die Geschichte Macondos zwischen 1903 und 1908, jenes tropischen Dorfs, von dem viele seiner Bücher handeln. Das Geschehen entwickelt sich in den Monologen dreier Mitglieder einer Familie: eines alten Offiziers, seiner Tochter Isabel und seines Enkels. Sie lassen ihre Gedanken neben der Leiche eines Freundes, eines schwermütigen und mysteriösen Arztes, der Selbstmord begangen hat, schweifen.Márquez' darauf folgendes Werk, »Der Oberst hat niemand, der ihm schreibt«, erschien im Jahr 1961. Der Oberst ist ein hinfälliger Alter, der in den Ruinen eines mit Hypotheken belasteten Hauses sein Dasein fristet und vergeblich auf die ihm zustehende Pension wartet. Doch er verzagt nicht und träumt vom Sieg seines Kampfhahns, den ihm sein Sohn geschenkt hat. Er hofft, dadurch zu Ehre und Glück zu kommen. Zur Pflege des Kampfhahns beginnt er, Möbel, andere Hausgeräte und Hochzeitsringe zu verkaufen, sodass sich das gesamte Dorf für den Hahn interessiert. Der Oberst erscheint wie eine verrückte und vernünftige Figur, rührend und tragikomisch zugleich. Ein Jahr später publizierte García Márquez »Das Leichenbegängnis der Großen Mama«.Schon diese ersten Werke mit ihrem immer wiederkehrenden Schauplatz, dem Dorf Macondo, den immer wieder vorkommenden Personen und Namen lassen eine künstlerische Absicht und eine persönliche Faszination erkennen. Sie wurden kurz nacheinander geschrieben, jedes wie ein Widerhall des anderen. Anfangs sollten sie Teile des Romans »Die böse Stunde« (1966) werden. Mit diesem Werk gewann der Autor den kolumbianischen Nationalpreis für Romane. Es ist stilistisch dem Roman »Der Oberst hat niemand, der ihm schreibt« sehr ähnlich. Die Handlung spielt am gleichen Ort, auch einige bereits bekannte Personen treten wieder auf. Die Stadt hat sich aufgrund politischer Spannungen in einen weniger gastlichen Ort verwandelt. Satirische Zeichnungen von verschiedenen Bewohnern der Stadt tauchen an den Wänden auf. Niemand weiß, wer der Künstler ist, der diese Gerüchte über Ehebruch, Abtreibung und Verbrechen in Umlauf bringt, doch bald sieht sich jeder mit einbezogen.Im Jahr 1967 folgte der ausschweifende, fantastische, mystische und historische Aspekte verschmelzende Roman »Hundert Jahre Einsamkeit« — nach wie vor das bekannteste Werk des Autors. Der Roman erzählt die 100-jährige Geschichte der Familie Buendía; ihre Odyssee von der Gründung Macondos durch den exzentrischen Patriarchen und seine zähe Frau bis zu Verfall und Auslöschung der Familie, als der letzte Nachkomme aufgrund lange beschworenen Inzests mit einem Schweineschwanz geboren wird. Auch wenn in der Erzählung Teppiche fliegen, Tote auferstehen und es Blumen regnet, weiß García Márquez den Leser meisterlich durch die Handlung zu führen.Alle Bücher, die García Márquez danach veröffentlichte, wurden zu internationalen Bestsellern und trugen zum weltweiten Ruhm der lateinamerikanischen Literatur im Zeichen des »magischen Realismus« entschieden bei. Darunter versteht man jene expressive Technik lateinamerikanischer Schriftsteller, bei der die Wirklichkeit, der Mythos und die Vermutung sich in der Geschichte auflösen, wodurch ein zauberhaftes, übertriebenes und außergewöhnliches, jedoch stets menschliches und lebendiges Universum erschaffen wird.1981 veröffentlichte García Márquez die »Chronik eines angekündigten Todes«. Diese Kurzgeschichte wurde von der Kritik als Meisterwerk gefeiert. Von Anfang an weiß man, dass die Vicario-Brüder Santiago Nassar umbringen werden, da sie ihn der Entehrung ihrer Schwester für schuldig befinden. Eigentlich weiß es das ganze Dorf, doch niemand ist in der Lage, ihn zu warnen.Nach dem NobelpreisGarcía Márquez' folgender Roman »Die Liebe in den Zeiten der Cholera« (1985) erfuhr ebenfalls eine wohlwollende Aufnahme bei den Lesern in aller Welt. In diesem Roman erzählt García Márquez die Geschichte von Florentino Ariza, einem Mann, der sich in eine junge Schönheit, Fermina Daza, verliebt und sich dazu gezwungen sieht, 50 Jahre zu warten, bis er ihr seine Liebe zum zweiten Mal erklären kann. Danach schrieb Márquez »Der General in seinem Labyrinth« (1989), einen Roman über das Ende des lateinamerikanischen Freiheitshelden Simón Bolívar, sowie »Nachricht von einer Entführung« (1996). Mit dieser genau recherchierten Dokumentation einer realen Geiselnahme in Kolumbien kehrte García Márquez noch einmal zu seinen journalistischen Anfängen zurück.N. Martos-Pilgrim
Universal-Lexikon. 2012.